Eingabe Unternehmer November 1932

November 1932

Ew. Exzellenz,
Hochzuverehrender Herr Reichspräsident,

Gleich Eurer Exzellenz durchdrungen von heißer Liebe zum Deutschen Volk und Vaterland, haben die Unterzeichneten die grundsätzliche Wandlung, die Eure Exzellenz in der Führung der Staatsgeschäfte angebahnt haben, mit Hoffnung begrüßt. Mit Eurer Exzellenz bejahen wir die Notwendigkeit einer vom parlamentarischen Parteiwesen unabhängigeren Regierung, wie sie in dem von Eurer Exzellenz formulierten Gedanken eines Präsidialkabinetts zum Ausdruck kommt.
Der Ausgang der Reichstagswahl vom 6. November d. J. hat gezeigt, daß das derzeitige Kabinett, dessen aufrechten Willen niemand im deutschen Volke bezweifelt, für den von ihm eingeschlagenen Weg keine ausreichende Stütze im deutschen Volke gefunden hat, daß aber das von Euer Exzellenz gezeigte Ziel eine volle Mehrheit im deutschen Volke besitzt, wenn man – wie es geschehen muß – von der staatsverneinenden kommunistischen Partei absieht. Gegen das bisherige parlamentarische Parteiregime sind nicht nur die Deutschnationale Volkspartei und die ihr nahestehenden kleineren Gruppen, sondern auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel Eurer Exzellenz bejaht. Wir halten dieses Ergebnis für außerordentlich erfreulich und können uns nicht vorstellen, daß die Verwirklichung des Zieles nunmehr an der Beibehaltung einer unwirksamen Methode scheitern sollte.
Es ist klar, daß eine, des öfteren wiederholte, Reichstagsauflösung mit sich häufenden, den Parteikampf immer weiter zuspitzenden Neuwahlen nicht nur einer politischen, sondern auch jeder wirtschaftlichen Beruhigung und Festigung entgegenwirken muß. Es ist aber auch klar, daß jede Verfassungsänderung, die nicht von breitester Volksströmung getragen ist, noch schlimmere wirtschaftliche, politische und seelische Wirkungen auslösen wird.
Wir erachten es deshalb für unsere Gewissenspflicht, Eure Exzellenz ehrerbietigst zu bitten, daß zur Erreichung des von uns allen unterstützten Zieles Eurer Exzellenz die Umgestaltung des Reichskabinetts in einer Weise erfolgen möge, die die grösstmögliche Volkskraft hinter das Kabinett bringt.
Wir bekennen uns frei von jeder engen parteipolitischen Einstellung. Wir erkennen in der nationalen Bewegung, die durch unser Volk geht, den verheißungsvollen Beginn einer Zeit, die durch Überwindung des Klassengegensatzes die unerläßliche Grundlage für einen Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft erst schafft. Wir wissen, daß dieser Aufstieg noch viele Opfer erfordert. Wir glauben, dass diese Opfer nur dann willig gebracht werden können, wenn die größte Gruppe dieser nationalen Bewegung führend an der Regierung beteiligt wird.
Die Übertragung der verantwortlichen Leitung eines mit den besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts an den Führer der größten nationalen Gruppe wird die Schlacken und Fehler, die jeder Massenbewegung notgedrungen anhaften, ausmerzen und Millionen Menschen, die heute abseits stehen, zu bejahender Kraft mitreißen.
In vollem Vertrauen zu Eurer Exzellenz Weisheit und Eurer Exzellenz Gefühl der Volksverbundenheit begrüßen wir Euer Exzellenz
mit größter Ehrerbietung

Kurt Freiherr von Schröder – Köln

Quelle: Büro des Reichspräsidenten, Abt. B/III, Bd. 47, Bl. 259/260, abgedruckt in: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst und das Kunstamt Kreuzberg (Hg.): Renzo Vespignani: Über den Faschismus. Berlin 1976, S. 11

Unterzeichner waren:

  • Hjalmar Schacht (ehemaliger Reichsbankpräsident, Mitglied im Keppler-Kreis – von ihm stammte auch der Text)
  • Fritz Thyssen (Aufsichtsratsvorsitzender der Vereinigten Stahlwerke, der einzige wirklich bedeutende Industrielle unter den Unterzeichnern)
  • Friedrich Reinhart (Direktor der Commerzbank, Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer, Mitglied im Keppler-Kreis)
  • August Rosterg (Generaldirektor der Wintershall AG, Mitglied im Keppler-Kreis)
  • Kurt Freiherr von Schröder, (ein Kölner Privatbankier mit Aufsichtsratsposten in der I.G. Farben, Mitglied im Keppler-Kreis, Mitglied des Deutschen Herrenklubs, in dessen Haus im Januar 1933 die entscheidenden Verhandlungen vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler stattfanden)
  • Senator Fritz Beindorff (Direktor und Besitzer der Pelikan AG, im Aufsichtsrat der Deutschen Bank)
  • Emil Helfferich (Aufsichtsratsvorsitzender der HAPAG, Mitglied im Keppler-Kreis)
  • Franz Heinrich Witthoefft (Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, Präsident der Handelskammer Hamburg, Mitglied im Keppler-Kreis)
  • Engelbert Beckmann (Vorsitzender der Rheinischen Landesbank)
  • Ewald Hecker (Aufsichtsratsmitglied der Commerzbank, Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover, Mitglied im Keppler-Kreis, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Ilseder Hütte)
  • Kurt Woermann (Aufsichtsratsmitglied der Commerzbank, mittelständischer Reeder aus Hamburg und Mitglied der NSDAP)
  • Carl Vincent Krogmann (Mitinhaber der angesehenen Hamburger Bank, Reederei und Handelshauses Wachsmuth und Krogmann, Vorstandsmitglied des Hamburger Nationalklubs, Bürgermeister von Hamburg von 1933 bis 1945, Mitglied der Handelskammer Hamburg und Mitglied im Keppler-Kreis)
  • Kurt von Eichborn (Teilhaber einer Breslauer Privatbank)
  • Eberhard Graf von Kalckreuth (Präsident des Reichslandbundes, Mitglied des Deutschen Herrenklubs)
  • Robert Graf von Keyserlingk-Cammerau (Vertreter der Landwirtschaft, Geheimer Oberregierungsrat, Mitglied des Deutschen Herrenklubs)
  • Erich Lübbert (Generaldirektor der Dywidag, Vorsitzender der AG für Verkehrswesen ,Mitglied im Wirtschaftsrat des Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten)
  • Erwin Merck (ansonsten unbekannter Hamburger Unternehmer)
  • Joachim von Oppen (Vertreter der Landwirtschaft)
  • Kurt Gustav Ernst von Rohr-Manze (Vertreter der Landwirtschaft)
  • Rudolf Ventzki (Generaldirektor der Maschinenfabrik Esslingen)

Auf dem in den Akten des Büros des Reichspräsidenten befindlichen Exemplar des Briefs fehlen die Unterschriften von Thyssen, Beckmann, Keyserlingk-Cammerau und Rohr-Manze, sie wurden nachgereicht. Der Bankier Friedrich Reinhart versuchte, die Unterschriftenliste nachträglich aufzubessern, indem er in einem Brief an Hindenburgs Staatssekretär Otto Meißner vom 21. November 1932 behauptete, auch Albert Vögler, Paul Reusch und Fritz Springorum würden „voll und ganz auf dem Boden der Eingabe stehen, aber nicht zu unterzeichnen wünschen, da sie politisch nicht hervortreten wollen“.