Die Bücherverbrennung vom 10.Mai 1933 – deutsche Akademiker „gegen Schmutz- und Schund-Literatur“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in meinem kurzen Redebeitrag möchte ich den Blick richten auf die Täter, die Akteure dieser Bücherverbrennung. Sie sind bekannt, sie haben sich – zumindest im Jahr 1933 dieser Taten auch gerühmt.
Dabei fällt auf, dass zu den treibenden Kräften die deutsche Studentenschaft zu zählen war. Diese zukünftigen deutschen Akademiker waren im besonderen Maße offen für faschistische Ideologie und ihren Rassismus – selbst wenn sie sich manchmal vom Straßenterror der SA abgestoßen fühlten. Schon 1932 trat die „Deutsche Studentenschaft“, die damals mehrheitlich vom NSDStB, dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, und den mit ihm verbündeten Gruppen geführt wurde, mit einem Plakat „Wider den undeutschen Geist“ hervor. Einige Zitate:
„Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter! Der Student, der undeutsch spricht und schreibt, ist außerdem gedankenlos und wird seiner Aufgabe untreu.“
„Wir fordern deshalb von der Zensur:
Jüdische Werke erscheinen in hebräischer Sprache. Erscheinen sie in Deutsch, sind sie als Übersetzungen zu kennzeichnen. Schärfstes Einschreiten gegen den Missbrauch der deutschen Schrift. Deutsche Schrift steht nur Deutschen zur Verfügung. Der undeutsche Geist wird aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt.“
„Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Überwindung des jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen liberalen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben.“
Es mag uns heute absurd anmuten, was hier angehende Akademiker formulierten, aber es entsprach der Meinung der überwiegenden Mehrheit der Studenten.

Man forderte die „Säuberung der öffentlichen Büchereien“, so wie man schon in der Weimarer Zeit gegen kritische Wissenschaftler und Literaten vorgegangen war. Genannt werden sollen an dieser Stelle nur die drei Beispiele: Emil Julius Gumbel, Erich Maria Remarque und Friedrich Wolf.
Berühmt wurde Emil J. Gumbel mit dem 1921 erschienenen Buch „Zwei Jahre Mord“, in dem er politische Morde, die seit Januar 1919 in Deutschland verübt worden waren, und ihre juristische Verfolgung dokumentierte. Er unterschied die Morde nach Morden von rechts und Morden von links und konnte nachweisen, das 318 politische Morde von rechts mit 31 Jahren, 3 Monaten und einer lebenslangen Festungshaft bestraft wurden, während 16 politische Morde von links mit 8 Todesurteilen und 239 Jahren Haft bestraft wurden.
Als Dozent an der Universität Heidelberg wurde Gumbel immer wieder von Korporationen und rechten Studenten angegriffen, seine Vorlesungen gestört und behindert. Schließlich wurde ihm am 5. August 1932 die Lehrberechtigung entzogen und er gezwungen die Universität zu verlassen, „weil ihn seine national gesinnten Kollegen nicht ertrugen“, wie es in der Universitätschronik heißt.
Erich Maria Remarque Anti-Kriegsroman „Im Westen nichts Neues“ erlebte zwar Ende der 20er Jahre eine Millionen Auflage, rechte Kreise – auch in der Studentenschaft – sahen darin jedoch eine „Beleidigung der Frontsoldaten“ und gingen mit Randale gegen Buch und Verfilmung vor. Der Berliner NSDAP-Gauleiter Dr. Joseph Goebbels spielte sich zum „Bewahrer deutscher Kultur“ auf und ließ im Dezember 1930 die Aufführungen der Remarque-Verfilmung „Im Westen nichts Neues“ in Berlin massiv durch Straßenkrawalle stören.
Auf einer anderen Ebene lag die Kampagne gegen den Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf. Er nahm 1929 mit seinem Drama ”Cyankali” engagiert Stellung zum Elend der Frauen, das sich aus der Realität des Abtreibungsparagraphen 218 ergab. Nach massiver öffentlicher Auseinandersetzung wird das Stück verboten und Wolf verhaftet und der ”gewerbsmäßigen Abtreibung” beschuldigt. Erst 1931 bewirken Massenproteste seine Freilassung.

Was bereits in der Weimarer Zeit gegen engagierte Schriftsteller praktiziert wurde, das sollte nun – nach der Machtübertragung an die NSDAP – gesamtgesellschaftlich durchgesetzt werden. Einzelne Aktionen, wie ein „Schandpfahl“ an der Marburger Universität oder erste Bücherverbrennungen in Düsseldorf und Wuppertal, machten propagandistisch deutlich, wie diese Säuberung stattfinden könne.

Als „undeutsch“ galt alles, was sich nicht einem tumben völkischen Wissenschaftsverständnis unterordnen ließ, zum Beispiel marxistische Autoren, soweit sie überhaupt in den Universitätsbibliotheken anzutreffen waren, jüdischen Wissenschaftler jeglicher Fachrichtung und politisch engagierte Literaten.

Studierenden besonders aus den Burschenschaften und Verbindungen, die in den Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDSt) und im Nationalsozialistischen deutschen Studentenbund (NSDStB) ihre politische Bastion besaßen, setzten diese ideologischen Vorgaben vor Ort um. Bereitwillig hatten diese deutschen Studenten aus den Bibliotheken der Verbindungshäuser die entsprechenden Bücher, wenn sich solche einmal in die dortigen Bestände verirrt hatten, zu den Sammelpunkten gebracht, um ein „Bekenntnis zum deutschen Wesen“ abzulegen.
Auch die Institutsbibliotheken wurden nach vorgefertigten Listen des „Kampfbundes für deutsche Kultur“ durchgekämmt. So war es gesichert, dass kein unliebsamer Autor und seine Werke der Verbrennung entgingen.
Und – wie hier in Frankfurt/M. – konnten die Zeitungen lobend hervorheben, dass fast alle studentischen Korporationen in voller Montur zu den Bücherverbrennungen angetreten waren.
Nach dem Krieg wollten die Korporationen und Verbindungsstudenten von dieser unheilvollen Tradition nichts mehr wissen. Viel lieber stellten sie sich als „Verfolgte“ oder gar als „Gegner“ der Nazis dar, seien sie doch ab Mitte der 30er Jahre durch den NSDStB in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und gleichgeschaltet worden.

Doch es bleibt der Fakt, dass die Bücherverbrennung und die damit einhergehende Vertreibung aller kritischen Geister deutscher Kultur nicht allein das Werk der Stiefelfaschisten der SA war. Die ideologische „Reinigung des deutschen Geistes“ übernahmen akademische Fürsprecher der faschistischen Herrschaft – eine Arbeitsteilung, die bis heute im Nazimilieu anzutreffen ist.
Während die einen mit Geschichtsrevisionismus die Abwicklung der Erinnerung betreiben, greifen die anderen zu Brandstiftungen und Schändungen von Mahnmalen. Beiden gemeinsam ist, dass sie das Wissen um die Verbrechen des deutschen Faschismus verdrängen wollen.
Wir setzen dagegen die Bewahrung der Erinnerungen an diese Unrechtstaten. Sie zeigen immer wieder deutlich: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Dr. Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA